Von Konstantin Kaiser
12. November 2025
Milo Rau, der größte Autor, Regiseur und Philosoph im Reiche Rau, will schon vor zehn Jahren nach dem Anschlag auf das Bataclan in Paris bemerkt haben, „dass eine imperiale Ideologie der Intervention gegen außen und der Überwachung gegen innen unsere aufklärerischen Werte aufsaugen wird.“ Darin werden ihm die in ihrer körperlichen Selbstbestimmung gekränkten Impfgegner beipflichten. Bewahrheitet hat sich Raus Befürchtung aber nicht. Für Widerstand ist es nach Rau dennoch zu spät. Das Bataclan samt der anderen Attentate „war der blutige Beginn des Endspiels, der Implosion des alten Europa im neu erstandenen, antidmokratischen Nationalismus, wie wir ihn … von Frankreich bis Österreich kennen.“
Was zu verteidigen wäre, ist für diesen Propheten des Untergangs bereits verloren. Rau ruft nicht zum Widerstand auf. Er schürt am Tag der Republik bloß das Misstrauen gegen unsere bürgerlich-demokratischen Institutionen.
(Milo Rau: Die Implosion des Westens. In: Der Standard. Kommentar der Anderen. 12. Nov. 2025).
20. November 2025
Dem offiziellen russischen Nachrichtendienst TASS zufolge verkündet Maria Sacharova, die Sprecherin des russischen Außenministeriums: Der Westen wolle die ukrainische Bevölkerung auslöschen. Der Westen habe bereits vor 85 Jahren solche Pläne gehabt. In der Ukraine würden der Nationalsozialismus und Faschismus wüten. Der Westen wolle die Ukraine entweder unter den Nazis auferstehen lassen oder vernichten. Dies entspreche Hitlers Plan zu Eroberung der Sowjetunion.
Was gerne übersehen wird
Keine Anerkennung russischer Hegemonie-Ansprüche!
Die nun mehr vorgetäuschte als ernsthafte russische Verhandlungsbereitschaft ist ein Teil der hybriden Kriegsführung gegen Europa und beruht auf der Besorgnis um den Erfolg der europäischen Rüstungsanstrengungen und der Formierung einer europäischen Verteidigung. Diese zu hintertreiben dienen das Geläute mit den Friedensglocken und die gleichzeitige massive Unterstützung jener politischen Kräfte in Europa, die einer Politik des Ausgleichs mit Russland auf Kosten der Ukraine und auf Kosten der Freiheit in Europa anstreben. Für Russland gilt es im Moment, Zeit zu gewinnen und zu überwintern, um im Frühjahr mit frischen Kräften anzugreifen, ermutigt durch den mit US-Hilfe errungenen diplomatischen Erfolg, dass Osteuropa stillschweigend wieder als russische Hegemonialsphäre angesehen wird.
Es könnte jedoch einem Putin Ähnliches wie dem österreichischen Kanzler-Aspiranten Herbert Kickl geschehen, dass er nämlich den günstigsten Zeitpunkt für ein für Russland vorteilhaftes Abkommen verpasst, da er seine Maximalforderungen durchgesetzt sehen will. Dass die russische Kampfkraft ihren Zenit bereits überschritten hat, erhellt aus dem neuerdings wiederholten Bedauern Putins, den großflächigen Krieg nicht schon Jahre früher begonnen zu haben. Wie alle „gottbegnadeten Führer“ ist Putin ein Fetischist des richtigen Zeitpunkts. Mit großer Aufmerksamkeit werden aber die Risse und Spannungen in der europäischen Union verfolgt. Ein Zusammenbruch des liberaldemokratischen Systems könnte die Kräfteverhältnisse schlagartig verändern. Es laufen zwei Uhren nebeneinander. Eine Uhr, die die schleppenden Rüstungs- und Verteidigungsbemühungen der EuropäerInnen anzeigt, und eine andere Uhr, die die Ausdauer des ukrainischen Widerstandes misst.
Von entscheidender Bedeutung bei all diesen „Friedensverhandlungen“ ist, dass der Russischen Föderation keine Hegemonie über die Ukraine zugestanden wird, zum Beispiel in der Form des Verbots, Truppen Dritter Länder auf ukrainischem Territorium zu stationieren. Allein schon der Verzicht auf einen NATO-Beitritt, so symbolisch er beim derzeitigen Stand der Dinge wirken mag, bedeutet einen ersten Schritt, ganz Europa in die Sphäre russischer Hegemonie zu ziehen, eine Hegemonie, die die Russische Föderation bereits gegenüber der Äußeren Mongolei, Kasachstan, Belarus, Armenien, Georgien, Moldawien und anderen GUS-Staaten für sich beansprucht.
Mit Zugeständnissen an russische Hegemonieansprüche kann allenfalls „Russkij Mir“ erreicht werden, repressive Befriedung, kein Frieden.
S’ist leider Krieg, und im Krieg gilt, was man jetzt tut. Die bei Euroclear eingefrorenen russischen Guthaben müssen schon deshalb jeder künftigen Verfügung seitens der Russischen Föderation entzogen werden, weil sie unter den gegebenen Umständen auch als Sicherheiten für Finanzierungen des russischen Angriffskrieges genützt werden können, indem sie z.B. zur Bedienung von Fremdwährungsanleihen in Aussicht gestellt bleiben.
