Aus dem Logbuch
Von Konstantin Kaiser
2. September 2025
„Konformistische Rebellion“ wird das, was an antiisraelischer Empörtheit und antikolonialem Freiheitsdurst derzeit zur Schau gestellt wird, auf Mena-Watch frei nach Adorno treffend genannt, dieses lustvolle Einstimmen in die Behauptung, Israel betreibe Völkermord in dem Krieg gegen die Terrororganisation Hamas, die eine totalitäre Herrschaft auf kleinstem Territorium ausübt.
Die Befriedigung, „den Juden“ jetzt endlich das Menschheitsverbrechen anhängen zu können, das ihnen selbst widerfahren ist, amüsiert sich im Grunde darüber, dass sich „die Juden“ im eigenen Netz verfangen hätten, das ein Raphael Lemkin gesponnen hat, um künftiges Unheil abzuwenden und zu ahnden. Ihre Befriedigung verbergen die selbsternannten Richter hinter einem Paravent humanitärer Sorge. Ausgemalt wird eine bevorstehende humanitäre Katastrophe, der zu begegnen jedes Mittel recht sein kann und selbst die schwerwiegendste Anklage gegen Israel, ob sie nun zu Recht erhoben wird oder nicht, angemessen ist. Da die angesagte Hungersnot nicht und nicht kommen wollte, änderte man einfach die Kriterien für diese Notlage, um umso lauter vor der Gefahr zu warnen, die nicht bestand. (Vgl. www.mena-watch.com, 26.8.25, „Israel: IPC-Bericht über Hungersnot in Gaza basiert auf falschen Daten„)
Der Einwand, Völkermord sei, wenn überhaupt, in diesem Krieg nur von einer Seite intendiert gewesen, nämlich von der Seite der die Vernichtung Israels anstrebenden Hamas, wird mit dem Hinweis auf die zahlreicheren palästinensischen Opfer weggewischt.
Wenn auch Völkermord mit vielen Toten verbunden ist, beweisen viele Tote keinen Völkermord. Ein wirklicher Völkermord braute sich im benachbarten Syrien zusammen, wo islamistische Milizen und Regierungssoldaten damit begannen, die BewohnerInnen drusischer Dörfer zu massakrieren und zu vertreiben. Drusische Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt und verschleppt. Drusischen Männern wurden zwangsweise die traditionellen Schnurrbärte abrasiert. Es galt, eine religiös-ethnische Identität zu zerstören. Ich fühlte mich erinnert an den intendierten Völkermord an den JesidInnen, ein Jahrzehnt zurück.
Im Fall der drusischen Minderheit griffen nicht die Vereinten Nationen ein, dem Gemetzel ein Ende zu bereiten, sondern die Israel Defense Forces – so wie es 2014 die US-Army und kurdische PKK-Einheiten im jesidischen „74. Ferman“ (jesidische Bezeichnung für den genozidalen Angriff, eigentlich türkisch „Befehl, Dekret des Sultans“) mit ihren bescheideneren Mitteln taten und dadurch zehntausenden JesidInnen die Flucht vor den Gräueln des Islamischen Staates ermöglichten.
Unsere politische Solidarität sollte jenen Kräften gelten, die Völkermorde verhindern. Als ich dies vor nunmehr fast zwei Jahren bei der Veranstaltung zum 40-jährigen Erscheinen der Zeitschrift Zwischenwelt, Stellung nehmend zum bestialischen Pogrom vom 7. Oktober 2023, zum Ausdruck brachte, sah sich ein syrischer Exilautor veranlasst, wegen dieser einseitigen Parteinahme den Saal zu verlassen. Ich hätte doch auch reden müssen über das Leid der palästinensischen Kinder. Man merkt, die Propaganda war schon angelaufen und hatte ihre Propagandisten gefunden.
Eine immer noch dem Vorstand der Theodor Kramer Gesellschaft angehörige Historikerin beschwerte sich sogleich beim Vorstand über mein eigenmächtiges Stellungnehmen. Ich hätte nicht die Befugnis gehabt, im Namen der Theodor Kramer Gesellschaft zu sprechen.
Das war früher anders.
Ich hatte indes die beiden israelischen Kleinkinder vor Augen, denen die Dschihadisten die Augen ausstachen, während ihre Großeltern, in deren Obhut sie gegeben waren, dem an ihre Sitze gefesselt zusehen mussten, bevor auch sie ermordet wurden. Und ich hatte im Gedächtnis, dass wir uns jahrzehntelang auf den Schultern jüdischer AutorInnen und KünstlerInnen durch die österreichische Kulturlandschaft tragen hatten lassen.
Was war da faul im Staate Dänemark?
